NEWS

am Anton

Wider das Vergessen – und für die Zukunft

Verfasst von: Lena D., Niklas K. (Q1) und Lena Fredebölling

Img 20240125 Wa0015

Gedenkstättenfahrten zu den Konzentrations- und Vernichtungslagern in Polen – insbesondere natürlich nach Auschwitz – wollen die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus lebendig halten, sie sind selbstverständlicher Bestandteil unserer Erinnerungskultur und somit fest im Fahrtenprogramm vieler weiterführender Schulen verankert. Doch könnten wir am Anton das den Blick zurück richtende Gedenken nicht auch mit dem Blick nach vorn, auf eine neu zu knüpfende innereuropäische Freundschaft verbinden? Dies war die Idee hinter der Erasmus-Fahrt einer Schüler_innen-Gruppe der Q1, die in Begleitung von Johannes Kretschmer und Lena Fredebölling im Januar 2024 nach Polen aufbrach, um erstmals zusammen mit ihren polnischen Altersgenossen die schmerzhafte Vergangenheit aufzuarbeiten, aber eben auch in eine gemeinsam zu gestaltende europäische Zukunft zu blicken.

Unsere erste Station war die Kleinstadt Knurow in „Slonsk“/Schlesien, unweit von Krakau einerseits und Oswieczim/Auschwitz andererseits gelegen. Dorthin hatte Meike Klingauf über eine Erasmus plus-Fortbildung erste Bande geknüpft und bereits über das Job-Shadowing polnische Kolleg_innen nach Lüdinghausen eingeladen. So konnten wir unser gemeinsames Programm noch im Rahmen des Besuchs zu planen beginnen, bis nach zahlreichen Videokonferenzen, dem Austausch von Steckbriefen, Videokonferenzen und E-Mails der Tag der Abreise endlich da war. Bereits am Vormittag hieß uns das Paderewskiego-Kolleg herzlich Willkommen. In Kleingruppen konnten wir einige abwechslungsreiche und lebendige Stunden im polnischen Schulalltag miterleben, ein Volleyball-Turnier und ein gemeinsames Mittagessen bot Gelegenheiten für ein erstes Kennenlernen. Am Nachmittag staunten wir über die Kombination von schlesischem Traditionsbewusstsein einerseits und der hippen Architektur und Gastronomie Knurows andererseits, als unsere Gastgeber nach einer Stadtrallye im neu errichteten Kulturzentrum innbrünstig „Szlager“ schmetterten und uns mit selbst gebackenen lokalen Kuchen und Torten verwöhnten. Anschließend begleiten die Anton-Schüler_innen ihre Gastgeber_innen in ihre Familien und konnten am Abendbrottisch die im Polnisch-Crashkurs erworbenen ersten Sprachkenntnisse ausprobieren.

Img 20240122 Wa0020

Alle zeigten sich am nächsten Tag von der Gastfreundschaft und Herzlichkeit der Familien beeindruckt und so traten wir als deutsch-polnische Reisegruppe die Zugfahrt nach Krakau an. Mit großem Stolz zeigten uns die Gastgeber in den nächsten Tagen das kulturelle „Herz“ Polens, gemeinsam entdeckten wir die vielen Erinnerungsorte auch der jüdischen Geschichte, wie die zahlreichen Synagogen, und verglichen die Eindrücke des Films „Schindlers Liste“ mit der echten Schindler-Fabrik. Neben den klassischen Sehenswürdigkeiten war es ein künstlerisch ambitioniertes Schattentheater über das Leben im Krakauer Ghetto, das die Gruppe besonders beeindruckte. An den Abenden bereiteten wir uns im gemeinsam bezogenen, gemütlichen Hostel durch Vorträge und Präsentationen auf den Besuch in Auschwitz vor, spielten aber auch so manche Partie Kicker und hatten viel Gesprächsstoff.

Die beiden Tage, an denen wir dann das Arbeits- und Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau besuchten, ließen viele Schüler_innen aufgewühlt zurück, und wie bemerkenswert die große Gastfreundschaft, die Offenheit der polnischen Schüler_innen und das unbeschwerte Lachen an dem gemeinsamen Abenden tatsächlich gewesen waren, wurde erst in Konfrontation mit den zuerst an der polnischen Bevölkerung begangenen Verbrechen bewusst. Das Schicksal der Polen, der europäischen Juden, aber auch der Sinti und Roma (das in einem Workshop gesondert thematisiert wurde), ihre brutale Folter und systematische Vernichtung durch Arbeit und in den Gaskammern war den Teilnehmer_innen durch den Geschichtsunterricht wie die intensive der thematischen Vorbereitung der Fahrt zwar bekannt. Doch was das Schlagwort „Zivilisationsbruch“ tatsächlich bedeutet, wurde nun doch erst in der Konfrontation mit dem erfahrbar, was nicht geleugnet werden kann und was sich die Augen sträuben zu sehen: Koffer. Schuhe. Haare. Öfen.

Img 20240125 Wa0027

Das gemeinsame Ablegen von Blumen als Symbol des Gedenkens war ein wichtiger Akt im Umgang mit der von so Manchem empfundenen Hilflosigkeit, als deutscher Jugendlicher zwischen den Besuchern aus so vielen anderen Ländern – viele von ihnen Familienmitglieder der Opfer und wenigen Überlebenden – in Birkenau vor den gesprengten Gaskammern zu stehen. In einem Fahrtentagebuch hielten alle ihre bewegenden Eindrücke fest, und im Austausch auch mit den begleitenden Lehrer_innen versuchten wir, mit den Erfahrungen der beiden Tage umzugehen.

Img 20240124 Wa0002

Der Wunsch des „nie wieder“ und nach Frieden und Freundschaft war am letzten Tag besonders zu spüren, und gerührt von den Abschiedsgeschenken der polnischen Gruppe stiegen wir in das Flugzeug, das uns zurück nach Deutschland brachte.